Orientierungslosigkeit der jungen Generation – ein stiller Hilfeschrei
Orientierungslosigkeit der jungen Generation – ein stiller Hilfeschrei
Ein Blick auf die Suche nach Halt
Unsere Jugend wächst in einer Welt auf, die komplexer und schneller geworden ist als je zuvor. Früher fand man Orientierung in der Familie, im Dorf oder in gewachsenen Gemeinschaften. Heute sind diese Strukturen brüchig geworden. Viele junge Menschen fühlen sich allein gelassen – ohne Antworten auf die Fragen, die sie am dringendsten bewegen:
Wie gehe ich mit Krisen um? Wie finde ich meinen Platz in einer Welt voller Unsicherheiten? Wer zeigt mir, was wirklich wichtig ist im Leben?
Und weil diese Antworten oft ausbleiben, suchen sie dort, wo wenigstens jemand spricht: in den sozialen Medien.
Die Ersatzvorbilder aus dem Netz
TikTok, Instagram, YouTube – für viele Jugendliche sind sie längst mehr als nur Zeitvertreib. Sie sind Notanker in einer Welt, die wenig Orientierung bietet. Influencerinnen und Influencer werden zu Vorbildern, auch wenn sie selbst oft überfordert sind. Sie inszenieren ihre Krisen, sprechen über Ängste oder zeigen extreme Lebensstile – und genau darin finden Jugendliche einen Funken Echtheit.
Denn selbst wenn es keine Lösungen sind: Es ist etwas. Ein Spiegel, der zumindest zeigt, dass man nicht allein ist. Für junge Menschen ist dieses „besser als nichts“ oft der letzte Halt.
Die Reaktion der Gesellschaft: Kritik statt Verständnis
Anstatt diese Notlage ernst zu nehmen, hören Jugendliche von Erwachsenen meist nur Kritik.
„Die Jugend von heute ist faul, orientierungslos, verwöhnt.“
„Die sozialen Medien sind schuld!“
„Wir müssen Verbote schaffen.“
Doch was passiert, wenn wir alles verbieten, was jungen Menschen noch eine Form von Orientierung gibt, und gleichzeitig keine eigenen Antworten anbieten? Wir entziehen ihnen den letzten Zugang zu einem Raum, in dem sie überhaupt Fragen stellen dürfen.
Die unsichtbare Lektion: Ausweichen statt Aushalten
So lernen junge Menschen nicht, wie man Herausforderungen meistert. Sie lernen, ihnen auszuweichen. Sie übernehmen Muster von Menschen, die selbst keinen Ausweg kennen, und wiederholen deren Fehler.
Statt Mut, Resilienz und Klarheit zu entwickeln, bleiben sie in einer Endlosschleife aus Unsicherheit, Vergleichen und innerer Leere gefangen. Und das Tragische: Genau dafür werden sie dann noch verurteilt – von derselben Gesellschaft, die ihnen keine besseren Werkzeuge an die Hand gegeben hat.
Die Abwärtsspirale einer ganzen Generation
So entsteht eine gefährliche Abwärtsspirale:
Wir kritisieren eine Generation für ihr Verhalten, während wir selbst die Verantwortung dafür tragen. Wir übersehen, dass Orientierung nicht aus Verboten entsteht, sondern aus gelebten Vorbildern.
Eine Gesellschaft, die es nicht schafft, ihren Kindern Lebenskompetenzen zu vermitteln, sägt an ihrem eigenen Fundament. Denn Lebenskompetenzen sind keine Nebensache – sie sind die Basis für seelische Gesundheit, für Beziehungen, für die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und Verantwortung zu übernehmen.
Was wir wirklich brauchen: Vorbilder und echte Anleitung
Junge Menschen brauchen keine perfekten Eltern, keine makellosen Helden und auch keine lückenlose Kontrolle. Sie brauchen Vorbilder, die ehrlich zeigen, wie man mit dem Leben umgeht. Die Fehler machen dürfen – und sie eingestehen. Die Konflikte aushalten, Lösungen suchen und Mut machen.
Es geht nicht darum, eine Generation zu kritisieren, sondern sie ernst zu nehmen. Ihnen zuzuhören. Ihnen beizubringen, dass Probleme Teil des Lebens sind – und dass es Wege gibt, sie zu meistern.
Unser Auftrag an die Zukunft
Wenn wir wollen, dass unsere Gesellschaft auch in 20, 30 oder 50 Jahren noch trägt, dann müssen wir anfangen, Verantwortung zu übernehmen.
Wir müssen Lebenskompetenzen wieder als Kernaufgabe verstehen – in Familien, Schulen, Gemeinschaften.
Denn die Wahrheit ist: Orientierungslosigkeit ist kein „Problem der Jugend“. Es ist ein Spiegel unserer eigenen Versäumnisse. Und nur wenn wir bereit sind, diesen Spiegel anzusehen, können wir die Spirale durchbrechen.
Junge Menschen brauchen nicht noch mehr Kritik. Sie brauchen Halt. Sie brauchen Räume, in denen sie wachsen dürfen. Und sie brauchen Erwachsene, die bereit sind, ihnen echte Antworten zu geben – auch wenn sie unbequem sind.
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